Dienstag, 19. Januar 2016

Was haben die Ereignisse in Köln mit mir oder Dir zu tun?

Ich kann nicht schlafen. In mir toben Gedanken und Gefühle. Ein alter Kampf. Er möchte zur Ruhe kommen. Die Ereignisse an Sylvester in Köln stöbern mein Inneres auf. Ich hätte nicht gedacht, dass dies sovie bei mir aufwirbelt und so viel mit mir persönlich zu tun hat. Ich bin so fern vom Geschehen und es geht mir doch so nah.

Wir sind mit allem was geschieht verbunden

Gestern las ich die Zeilen einer Frau aus Köln, diese berührten mich sehr. Sie lebt im Gegensatz zu mir räumlich nahe und erlebt die greifbare Gewalt in Köln, die Angst, den Kampf, die Demos von Frauen. Diese schreien ihre Gefühle stellvertretend für viele Frauen, stellvertretend für mich in die Welt hinaus. Aus der Stille heraus formuliert sie ihre Gefühle dazu. Darin sind wir uns nahe – auch ich liebe die Stille.

Was ist die Qualität dieser Stille?

Strahlende Präsenz und Harmonie sind Qualitäten von Stille
Für lange Jahre war es für mich normal, zu funktionieren. Ich kenne auch wie es ist, in Stärke zu sein. Seit langem trug ich eine Frage in meinem Herzen: „Wie kann ich so früh wie möglich erkennen, dass ich schon wieder in diesen Funktionsmodus zurückgefallen bin, schon wieder im Kackmodus bin und den Kontakt zu mir und zum Leben verloren habe?“ Diese Frage war für mich essenziell, um wieder zurückzukehren. Mit dem Leben verbunden sein. Berührbar sein. Offen sein. Lieben. Einssein. Das Ganze kann man sich auch sehr gut nur einbilden. Zumindest ist das bei mir so. Erst vor kurzem wurde mir klar, wie ich beides unterscheiden kann: die Stille. Keine Gedanken. Frieden. So einfach. Da war ich wohl auf der Leitung gesessen? Mein Partner schmunzelt, als ich es ihm erzähle. „Die Yogini. Da sitzt sie zwanzig Jahre – und was ist ihre Erkenntnis? Stille – das was sie schon seit zwanzig Jahren praktiziert.“ Er übertreibt gerne. Er freut sich mit mir.

Was ist ihr wichtig, der Frau aus Köln?

Aber zurück zur Frau aus Köln. Sie schreibt von weiblicher Kraft, was das für sie bedeutet. Sie schreibt von Urwissen, von Liebe, von der Fähigkeit Gemeinschaft zu bilden, zu gebären und zu nähren, von dem Leuchten das entsteht wenn die weibliche Präsenz in ihrer Essenz erstrahlt. Von der Erfahrung wie beglückend es ist, dies in sich selbst und in anderen zu entdecken. Wie beglückend es ist, sich selbst und andere zu lieben, mit sich selbst und anderen in Kontakt zu sein. Das ist Stärke. Das ist ihr Weg – das ist auch mein Weg.

Und wie kann das Problem dieser Gewalt gelöst werden?

Wenn jemand zur Therapie oder zum Coaching zu mir kommt, dann habe ich nicht die Haltung: „Wie bekomme ich das Symptom weg? Wie bekomme ich die Angst weg?“ Ich frage mich: „Wozu dient das Symptom? Wozu dient die Angst?“ Diese Frage hat mir bisher immer gedient. Und auch die Frau aus Köln stellt sich diese Frage:

„Wozu könnte es gut sein, was in der Sylvesternacht passiert ist?“

Sie kommt zu einem Schluss, den ich in meinen tiefen Ängsten und in meiner Schlaflosigkeit nicht erwartet hätte. Sie stellt sich Fragen: Wenn Männer sich zu Gruppen zusammenrotten müssen, um gegen eine einzelne Frau vorzugehen - wie bedrohlich muss Weiblichkeit für sie sein? Wie bedrohlich muss weibliche Sexualität für sie sein? Wie machtvoll müssen wir Frauen also sein? Wie machtvoll müssen wir in unserer Sexualität also für sie sein? Diese Sichtweise macht mich still. Sie zeigt mir, dass diese Fragen mich mit meiner Essenz verbinden. Das ist Wahrheit. Das ist mein Weg.

Starke Frauen sind überall.

Sie freut sich, nicht die einzige zu sein, die Frau aus Köln. Überall in ihrem Umfeld sieht sie wie Frauen in ihrer Kraft erwachen, wie sie sich zeigen, verbinden, heilen. Und dadurch eine enorme Kraft zutage kommt. Eine Kraft, die bedrohlich scheinen könnte für Männer, denen die innere Stärke fehlt? Eine Kraft, die bedrohlich scheinen könnte für Männer, die sich dieser enormen Kraft nicht anschließen wollen oder können, um gemeinsam noch viel mehr daraus zu gewinnen? Auch in meinem Umfeld erwacht die Frauenkraft. Unaufhaltsam. Es werden immer mehr!

Und die schlaflosen Nächte?

Om steht für Frieden.
Die weibliche Kraft erwacht, da zeigen sich auch alte Verletzungen. Die möchten gesehen werden bevor sie sich verabschieden. Wer in Liebe ist, in Kontakt mit sich, der kommt auch in Kontakt mit seinen alten Verletzungen, mit Schattenalteilen. Die enormen Kräfte, Gedanken, Gefühle, die in der Gesellschaft jetzt toben – ausgelöst durch die Ereignisse in Köln - rütteln alles wach, das die Frauenkraft immer noch zudeckt. Meine ersten Lebensjahre waren nicht getragen von genährt sein, von gehalten sein, von verbunden sein – meine Mutter war mit sich beschäftigt, im Kampf mit sich und der Welt. Sie funktionierte und war traurig, verzweifelt. Aha, daher wohl mein so tief sitzender Funktionsmodus. Jetzt, in diesen schlaflosen Nächten spüre ich die alten Gefühle. Alleinsein. Einsam sein. Verzweifelt sein. Enttäuscht sein vom Mann. Es wäre ein leichtes, dies alles auf meine Lebensumstände zu projizieren. Es wäre ein leichtes, dies alles auf meinen Partner zu projizieren. Und es wäre noch leichter, alles auf jemanden zu projizieren, der im Rampenlicht steht – sei es nun ein Politiker , ein Lehrer, ein Chef – oder gar meinen Guruji. Oft genug bin ich schon in die Projektionsfalle getappt. Jedoch, das ist zu Ende, der Kampf, das Projizieren. Das ist für mich kein Leben. Das Funktionieren hat ein Ende. Gefühle wollen gefühlt werden. Mehr ist es nicht. Mein Weg ist die Liebe. Stille. Punkt.

Wie könnte das Fazit lauten?

Wichtiger denn je ist es für die Frau aus Köln, in einer Gemeinschaft zu sein mit nährenden Schwestern und wachen Männern. Die gibt es ja auch noch, die kraftvollen Männer. Sie möchte die Urkraft wachsen lassen: die Liebe. Wache, achtsame, liebevolle Begegnungen mit offenem Herzen. Das ist ihr Weg. Und meiner auch. Wenn Du Lust hast, Teil so einer starken Gemeinschaft zu sein, dann komm in den Human Trust. Das ist so eine Gemeinschaft. Bis zum 15. Februar gibt es in diesem Jahr noch die Möglichkeit, dort einzusteigen. Ich kann es von ganzem Herzen nur empfehlen.

Und die Männer?

Als Kommentar zu den Zeilen der Frau aus Köln schreibt ein Mann von sich. Die Zeit der Pubertät, als die Sehnsucht erwacht, dem Weiblichen nahe zu sein, einem Mädchen nahe zu sein. Die Zeit, in der er zu schüchtern war, ein Mädchen anzusprechen, weil ein Schwarm der Mädchen sei er nicht gewesen. Die Zeit, in der die einzige Lösung, seinem von Testosteron durchfluteten Körper in die Nähe eines Mädchens zu kommen darin bestand, eins zu begrapschen. Die Zeit, in der die Mädchen, die Lehrer und die Eltern ihm auf die Finger klopften und er es als Unrecht erkennen durfte. Die Zeit, in der die Sehnsucht erwachte, die Unfähigkeit seine Bedürfnisse angemessen zum Ausdruck zu bringen zu überwinden. Die Zeit, in der er begann, mutig und stark zu sein. Die Zeit, die ihm die Möglichkeit gab zu bereuen, sich zu entschuldigen, zu wachsen und heute das Leben zu feiern. Gemeinsam.

Wie könnte die Geschichte weiter gehen?

„Am besten ist es, still zu sein.“ Diese Worte wurden oft von dem indischen Weisen Sri Ramana Maharshi ausgesprochen, wenn er um Rat gefragt wurde. Oder er praktizierte es – er antwortete nicht, sprach nicht, verweilte in Stille. Ken Wilber zitiert ihn gerne und spricht in Hochachtung von ihm als dem weisesten Wesen, das jemals auf dieser Erde wandelte. Dem Denker aus Boulder (Colorado, USA) ist ein Geniestreich gelungen – er fasste die gesamte westliche (Entwicklungs)psychologie und die östlichen Weisheitslehren zu einer einzigen Theorie zusammen. Die Presse zitiert ihn als den fundiertesten Vordenker eines neuen und ganzheitlichen Weltbildes. Seine Theorie geht davon aus, dass die Entwicklung des Individuums und die der Gesellschaft miteinander verschränkt sind und sich auch gegenseitig bedingen. Er erklärt damit auch die Pathologien und gibt mir zumindest einen sicheren theoretischen Rahmen um zu verstehen was in mir und der Welt vor sich geht. Wer hier tiefer einsteigen möchte, für den gibt es hier ein Seminar dazu von Veit Lindau.

Sein Weltbild gibt mir Hoffnung.

Das Weltbild von Ken Wilber und die Gedanken der Menschen aus dem Human Trust geben mir Hoffnung. Wenn für die Gesellschaft dasselbe gilt wie für ein einzelnes Wesen – dass es nach bestimmten Gesetzmäßigkeiten abläuft, dann könnte es für unsere Gesellschaft gar nicht so schlecht aussehen. Vielleicht ist es einfach nur das Chaos, was einen Entwicklungssprung kennzeichnet? Wenn ich aus dieser Perspektive auf die aktuellen Ereignisse schaue, dann sehe ich Männer, die sich zusammen schließen und die Nähe von Frauen suchen. Ich sehe Männer, die die Nähe von starken Frauen suchen. Ich sehe Männer, die diese Nähe mit unangemessenen Mitteln herstellen. Ich sehe Männer, denen man auf die Finger klopfen muss - und vielleicht nicht nur das? Ich sehe Männer, die Unterstützung brauchen von denen, die bereits vorangegangen sind.  Ich sehe Männer, vor denen ein Transformationsweg liegt. Ich sehe Männer, die Nähe leben können, Wertschätzung. Einssein. Gemeinschaft. Liebe. Wie lange das dauern wird, weiß ich nicht. Ob ich das noch erleben werde, weiß ich nicht. Aber ich wünsche es mir.

Ich halte alles für möglich

Vor dem Hintergrund dieser Stille beginnt für mich die Welt, das Leben so richtig Spaß zu machen, beginnt es mich zu faszinieren. Wo würde ich in diesen stürmischen Zeiten stehen, gäbe es da nicht die Stille, in der ich regelmäßig verweilen kann? Wie würden die inneren Stürme sonst aussehen? Was würde ich daraus im Alltag sonst machen? Ich wage nicht das zu Ende zu denken. Aus dieser Stille heraus ist es einfach, die richtigen Gedenken zu fassen und die richtigen Entscheidungen zu treffen. Aus dieser Stille heraus lasse ich mich auch nicht verwirren von allen möglichen Informationen. Ich bin geborgen, in Frieden, dankbar, still und staune.

Wenn es Dich zu dieser Stille zieht, dann ist es vielleicht Zeit für Dich, darin einzutauchen? Dann genieße ein Stille-Retreat. Entweder im Human Trust – oder wo ich es sehr schätze in einem Retreat mit Madhukar.

Hier sind die Männer!

Als ich heute nach aufstand und diesen Text verfasste habe ich mir diese Männer gewünscht - hier sind sie schon. Danke Lidia.



Der erste Beitrag dazu ist dieses Video. Die vielen aufrichtigen Bekenntnisse zum Thema Männer und Frauen berühren mich ganz tief. Der zweite Beitrag dazu ist ein Buch, das seit Monaten zur Rezension auf meinem Schreibtisch liegt. Ich habe es noch nicht ganz lesen können, habe einzelne Kapitel gelesen, habe es quer gelesen. "Lustvoll Mann Sein - Expedition ins Reich männlicherSexualität". Hier wurden 15 intime Gespräch mit Männern geführt. Saleem Matthias Riek und Rainer Salm stellen die richtigen Fragen, um mit einem alten Vorurteil aufzuräumen - die Sexualität von Männern sei einfach gestrickt. Ein Buch nicht nur für Männer - sie verraten darin wie sie Sexualität, Nähe, Beziehung leben. Ihr Ringen, Kämpfen, Forschen, Gelingen, Genießen. Ein wahrer Schatz!

Es gibt genügend Männer, die sich mit ihrem Mannsein auseinandergesetzt haben. Es gibt wunderbare Männer, die Nähe leben können, auch ohne Zwang. Es gibt genügend, die es anderen zeigen können. Es gibt genügend, die bereits vorangegangen sind. Die Evolution geht weiter und wir sind mittendrin. Wo stehst Du darin? Im Kampf? In der Angst? In der Liebe? In Stille? Und wo willst Du sein?

P.S. Auch wenn ich hier ihren Namen nicht nenne, habe ich selbstverständlich die Frau aus Köln gefragt, ob ich mich hier öffentlich auf ihre Worte beziehen darf.

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Fotos: Shivani Allgaier (cc)

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